Hand in Hand mit der Natur zu gärtnern und Gemüse anzubauen, versprechen unterschiedliche Konzepte wie beispielsweise der Naturgarten, Permakultur oder das Market Gardening bzw. Marktgärtnern, das spätestens seit Covid mehr und mehr nach Deutschland überschwappt. In diesem Beitrag soll es darum gehen, was diese Ideen beinhalten, wie sie sich überschneiden und wieso ich finde, dass man sich nicht für eins davon entscheiden muss.
Disclaimer: Dieser Beitrag soll nur einen Überblick geben. Wer in einzelne Themen genauer einsteigen will, findet Literatur und andere Quellen unter Links/Medien.
Darum geht’s
Naturgarten
Seit einiger Zeit beschäftige ich mich jetzt mit dem Gedanken, wie eine teilweise Selbstversorgung für uns aussehen kann. Wichtig sind mir dabei Insektenfreundlichkeit, Nähe zu Vorgängen und Prinzipien, wie sie in der Natur vorkommen, keine Pestizide oder künstlicher Dünger und wenig Störung des Bodenlebens. Viele denken bei diesen Leitlinien vermutlich erst mal an den Naturgarten.
Wenn man darüber nachdenkt, ist es etwas merkwürdig. Garten ohne Natur geht doch gar nicht, wieso braucht man dann die Idee eines Naturgartens? Gute Frage…
Vermutlich will man sich abgrenzen von Steingärten (na, wer bekommt Gänsehaut bei dem Wort?), versiegelten Flächen und dem typischen Rasen-plus-Hecke-Paket. „Früher war das alles anders“, denken sie sich vielleicht. Und träumen von den Bauerngärten mit Teich, eigenem Gemüse und vielen insektenfreundlichen Pflanzen. Von Flächen, wo auch mal Unordnung herrschen darf.
Also, was ist jetzt per definitionem ein Naturgarten? Das sagt NaturGarten e. V. dazu:
Ein Naturgarten unterscheidet sich von einem Garten im klassischen Sinne durch einheimische Wildpflanzen, Dynamik anstatt starren Beeten und „Funktionsflächen“, die nicht nur Mensch, sondern auch Tieren und Pflanzen Lebensraum bieten. Dazu gehören beispielsweise Wege oder (Trocken-)Mauern.
Sie sprechen gar davon, dass ein Naturgarten „Services“ bietet, wie etwa Artenvielfalt, Erholung und Anpassung an die Klimakrise. Man darf sich da ruhig fragen, ob wir als Mensch nicht eher den Service an der Natur tun sollten, die wir über lange Zeit zu unseren Zwecken ausgebeutet und ausgezehrt haben. Aber auch darum geht es den meisten wohl – es dank dem Konzept Naturgarten besser zu machen.
Wie sieht ein Naturgarten in der Praxis aus?
Geplante Vielfalt, und das durch einheimische Arten und am besten durch zertifizierten Wildpflanzen-Anbau und in Bio-Qualität. Bei der Wahl sollte auch berücksichtigt werden, ob die Pflanze insektenfreundlich ist, also zum Beispiel Nektar bietet. Dass Standort und Klima passen sollten, dürfte ohnehin klar sein.
Bei den Flächen für Mensch und Tier (bzw. Insekt) geht es darum, mit möglichst natürlichen, nachhaltigen Materialien zu arbeiten, wie Holz, Sand oder Stein. Dadurch sollen Rückzugsorte für die Lebewesen entstehen. Dazu kommen zusätzliche Nisthilfen für Vögel und Kleinsäuger.
Synthetische Pflanzenschutzmittel und Dünger sind tabu, ebenso Torf und wo möglich Kunststoffe (ich bezweifle, dass es realistisch Naturgärten gibt, die komplett ohne Plastik auskommen). Außerdem wird Wert gelegt auf eine behutsame Pflege bei den üblichen Gartenarbeiten, also Jäten, Wässern und Schnitt. Stängel sollen idealerweise über den Winter stehen gelassen werden. Sie dienen Insekten und Nachkommen als Unterschlupf.
Wir merken, es geht hier eher um allgemeine Richtlinien, denen man kaum etwas entgegensetzen kann. Vor allem aber ist die Rede immer von Pflanzen allgemein – Selbstversorgung oder gar die Versorgung von anderen stehen hier nicht im Mittelpunkt. Ideen, wie man naturnah ausreichend Ernte erzielen kann, finden wir hier eher nicht. Die Naturgarten-Bewegung liefert aber viele nützliche Informationen zum Gärtnern.
Permakultur
Als Sprachwissenschaftlerin schaue ich mir Wörter immer extra genau an: Permakultur, quasi die permanente Agrikultur, also mit dem Ziel, ein besonders langlebiges System zu schaffen. Das gelingt, indem natürliche Ökosysteme nachgeahmt werden – etwa durch kluge Kombination von Elementen, Tätigkeiten, Planung und Sortenauswahl.
Anders als bei Anbauformen, die durch einjährige Pflanzen dominiert werden, muss man eben nicht jedes Jahr komplett von 0 starten. Das Prinzip verspricht nicht nur, dass weniger Arbeit anfällt, sondern auch, dass das System resistenter für die Zukunft ist.
Was im Naturgarten „Funktionsflächen“ heißt, heißt in der Permakultur „Zonen“. Beginnend mit der Zone, die direkt an die Wohnfläche anschließt, werden Zonen so eingeteilt, dass alles, was viel Pflege braucht, nah liegt und am Rand auch Platz bleibt, wo Natur sich selbst überlassen wird. Außerdem gehören zu diesen Zonen bestimmte „Permakultur-Elemente“. Das wohl klassischste Element ist die Kräuterschnecke oder Kräuterspirale. Auch Steinhaufen, Hügelbeet, Sandbäder, Totholz und Co. werden in der Permakultur zu Elementen.
Als Entwickler der Permakultur gelten die Australier Bill Mollison und David Holmgren. Sie formulieren die folgenden Permakultur-Prinzipien:
- Fürsorge für die Erde – Statt Erosion und Austrocknung soll Humus aufgebaut werden und Bodenorganismen gefördert werden
- Achtsamer Umgang mit Menschen – Das gelingt nicht allein, sondern gemeinsam. Man respektiert einander und findet zusammen Lösungen.
- Gerechtes Teilen – Ernte und ggf. Gewinne werden gerecht verteilt, Landwirte fair entlohnt. Maximierung und Konkurrenz haben keinen Platz.
Und hier zeigt sich auch schon etwas Essenzielles: Permakulturisten denken nicht nur ans Gärtnern, sondern richten so viele Bereiche wie möglich nach diesen Prinzipien aus.
Permakultur in der Praxis
Manche denken, sie haben eine Kräuterschnecke und betreiben damit Permakultur. Das ist natürlich kurz gegriffen. Permakultur ist in der Praxis sehr vielschichtig und was immer wieder betont wird: individuell. Es geht darum, die Natur am eigenen Fleckchen Erde zu beobachten, sie nachzuahmen und wo nötig durch sanftes Eingreifen natürliche Prozesse zu unterstützen.
Die Idee ist, je mehr man vorbereitet, desto weniger muss man später eingreifen. Dafür gibt es Permakultur Design Kurse. Bei der Gestaltung orientiert man sich an den genannten Zonen und an den Beobachtungen, die man zu Anfang macht. Am Ende soll jeder Teil des Systems mehrere Zwecke erfüllen: Hühner zum Beispiel liefern Mist zum Düngen, aber auch Eier. Vielleicht gibt es auch einen Teich oder ein Rückhaltebecken zur Wasserversorgung, es werden aber auch Frösche angezogen, die wiederum Populationen von Insekten oder Schnecken in Schach halten.
Wasser und Ressourcen werden gespart, idealerweise entstehen Kreisläufe, die in sich geschlossen sind – also ohne Einbringen oder Ausführen von/nach außen. Ein Teil davon ist:
- das eigene (Flächen-)Kompostieren,
- Mulchen,
- Bedeckthalten von Erde,
- Sammeln oder Zurückhalten von Wasser und
- das Fördern von Tieren und Insekten.
Waldgarten, Syntropie, Agroforst
Wo Permakultur ist, ist auch der Waldgarten nicht weit. Und weil Waldgarten, Syntropie oder Agroforst sich so ähneln, weil sie, na, die Bäume gemeinsam haben, packe ich sie zusammen in ein Kapitel. Einen Waldgarten kann man sich vorstellen wie einen essbaren Wald oder eben ein Feld, das aus Bäumen, Sträuchern und kleineren Pflanzen besteht. Möglichst alle Pflanzen sollten essbar sein.
Wichtig sind außerdem die unterschiedlichen Levels oder Ebenen: große und kleine Bäume, an denen Kletterpflanzen emporranken können, auf der mittleren Höhe die Sträucher und Stauden und auf dem Boden kleinere, möglichst mehrjährige Pflanzen – Bodendecker, Wurzelgemüse und Ähnliches. Das Besondere daran: Ein Waldgarten muss nach dem Anwachsen eigentlich nicht gegossen werden. Auch die dauerhafte Bodenbedeckung sorgt dafür, dass man später nur wenig eingreifen muss.
Als Vorbilder im Bereich Waldgarten gelten Robert Hart oder Patrick Whitefield. In Österreich gibt es außerdem das Österreichische Waldgarten Institut, das einen viele Jahre alten Waldgarten besitzt und wo man Fortbildungen machen kann (www.waldgarteninstitut.at).
Ein Waldgarten ist sowohl ein Beispiel für Permakultur als auch für Agroforst. Syntropie und Agroforst sind beide alternative Modelle für die Landwirtschaft, die es auch ermöglichen, schrittweise umzusteigen und nicht unbedingt sofort auf maschinelle Bearbeitung zu verzichten. Syntropische Landwirtschaft wurde von Ernst Götsch entwickelt, der in Brasilien quasi einen essbaren Regenwald gepflanzt hat, wo heute einer der besten Kakaos der Welt wächst.
Wie ein Agroforst gestaltet wird
Im Agroforst werden Wald und Landwirtschaft verbunden, wobei das auch bedeuten kann, dass eine Reihe Bäume sich mit einem Streifen Feld abwechselt, wo weiterhin ein Traktor zum Beispiel Getreide bestellt. Die Landwirtschaft soll von den Bäumen profitieren, weil sie Wasser in tieferen Schichten erschließen, vor Wind, Hitze und Erosion schützen, die Artenvielfalt steigern und aber gleichzeitig einen langfristigen, zweiten Ertragszweig sichern. Eine weitere Möglichkeit ist die Verknüpfung von Forst und Viehhaltung. Kühe, Schafe oder Hühner düngen Bäume, halten die Wiese kurz und profitieren zum Beispiel durch Schatten oder Fallobst.
Wichtig bei Systemen mit Bäumen: Hier geht es um langfristiges Planen. Viele Experten nennen es „enkeltaugliches“ Wirtschaften. Pflanzt man heute Bäume auf seinen Acker, wird man davon vielleicht selbst keinen Ertrag mehr erwarten, man schafft aber ein widerstandsfähiges System und eine Basis für kommende Generationen. Jonas Gampe stellt in seinem Buch Letzter Ausweg: Permakultur viele praktische Beispiele vor, wie viel sie kosten und wann sie sich rechnen.
Hortus – Permakultur meets Naturgarten?
Noch ein kurzer Blick auf das Hortus-Netzwerk, weil man bei der Recherche vermutlich auch darüberstolpert. Begründer ist Markus Gastl. Er definiert einen Hortus als harmonischen Ort, Zuflucht für alle Lebewesen. Im Hortus gibt es drei Zonen: Die Ertragszone, die Pufferzone und die Hot-Spot-Zone. Auch hier wird je nach Aufwand die benötigte Nähe zum Haus festgelegt.
Spannend finde ich an dem Konzept, dass es die Darstellung des nötigen Naturkreislaufs noch einmal vereinfacht. In einer Zone wachsen Obst und Gemüse, dort werden zusätzliche Nährstoffe benötigt. Diese kommen aus der Hot-Spot-Zone, denn hier muss ab und an gemäht werden, damit eine Wildblumenwiese artenreich bleibt. Den längsten Weg hat man zur Pufferfläche, hier wachsen Bäume, Sträucher, es bleibt Platz für Lebewesen ohne großes Eingreifen.
Wer sich dafür interessiert – Markus Gastl hat einige Bücher geschrieben und es gibt sowohl Forum als auch Facebookgruppe für das daraus entstandene Hortus-Netzwerk.
Tiny farm & Market Gardening
Wer permakulturell oder allgemein nachhaltig landwirtschaften will, der kann das am ehesten im kleineren Maßstab – unabhängig, überschaubar, mit der Möglichkeit, Veränderungen genau zu beobachten. Daraus entsteht der Gedanke der Tiny Farms oder auch Mikrofarms. Auf dem Konzept der Kleinteiligkeit beruht auch das Market Gardening (oder Marktgärtnern, wer den deutschen Begriff bevorzugt).
Es ist zwar auch ein Teil der Permakultur, dass sich das System finanziell tragen sollte, es ist aber nicht das erste Ziel. Das ist beim Market Gardening anders. Marktgärtner orientieren sich an den Gärten in Paris im 18. Und 19. Jahrhundert. Auch dort ist man ohne Traktor und Pestizide ausgekommen und hat damit eine ganze Stadt ernähren können. Ein wichtiges Gesicht unter den Marktgärtnern ist Jean-Martin Fortier. In Deutschland ist das Weierhöfer Gartengemüse erfolgreich und bildet auch weiter.
Ein paar Grundsätze im Market Gardening:
- Direktvertrieb, ohne Verlust durch Zwischenhändler
- Biointensiver Anbau: also viel Ertrag mit kurzen Kulturen
- Ressourcen schonen
- Enge Bepflanzung schont Böden und Pflanzen und soll vor Beikraut schützen
- Keine bis wenig Bodenbearbeitung, wenn meistens mit der Broadfork
- Bodenaufbau durch Kompost
Viele Gemeinschaftsgärten und Solidarische Landwirtschaften bedienen sich dem Konzept. Mein persönlicher Eindruck: Es gibt quasi keinen Marktgarten ohne recht viel Plastik. Es werden Folientunnel und Vliese eingesetzt, um die Saison zu verlängern, Schädlinge fernzuhalten und dagegen auf Pestizide verzichten zu können.
Gleichzeitig wird recht viel Wert auf Rentabilität gelegt – beispielsweise Kulturen empfohlen, mit denen mehr Geld verdient werden kann. Fortier hält Kartoffeln zum Beispiel nicht für rentabel im Marktgarten, weil da der „Frischebonus“ nicht ausgespielt werden kann. Dadurch entsteht das Risiko, weniger Fokus darauf zu legen, was Leute tatsächlich satt macht und mengenmäßig einen Unterschied mit umweltfreundlichem Anbau zu bewirken. Außerdem haben klassische Marktgärtner keine oder kaum Bäume und wenig bis kein Obst.
Trotzdem leisten sie einen wichtigen Beitrag für die Lebensmittelversorgung und ermöglichen einen einfachen Einstieg in die Landwirtschaft. Es handelt sich ja auch nicht um fixe Regeln, die jede Markgärtnerei einhalten muss.
All together now
Ich finde es großartig, dass ich zu einer Zeit zum Thema umweltfreundliches Gärtnern und Landwirtschaften gestoßen bin, in der es schon viele erprobte Lösungen und eine richtige Community gibt. Alle haben Ansprüche an Nachhaltigkeit und Umweltschutz und wollen etwas bewegen. Ein Ökosystem erhalten, in dem die unterschiedlichen Teilnehmer voneinander profitieren können.
Schön finde ich den Gedanken, dass diese neue Landwirtschaft weniger „kleine Landwirtschaft“ und mehr „großer Garten“ ist. Kategorien sind oftmals hilfreich, um einen Überblick zu behalten. Aber man darf sich nicht darin verrennen. Es sollte nicht zu einem Dogmatismus und einem „wir gegen die anderen“ werden. Es ist im Sinne der Permakultur, gemeinschaftlich an Zielen zu arbeiten, sich auszutauschen, offen zu sein für andere Ideen und Lebenskonzepte.
Wenn ich einen Garten oder eben ein kleines Feld gefunden habe, möchte ich möglichst viele Systeme miteinander kombinieren. Ich möchte kein Beet ohne Baum, und keinen Garten ohne Teich und ohne Blumen. Und irgendwie darf man auch nicht warten auf „die perfekte Lösung“, sondern man muss manchmal einfach loslaufen. Lasst uns das machen, gemeinsam.