Im April 2024 hatte ich meinen ersten WWOOF-Aufenthalt auf einem Hof in Hessen. Hier erzähle ich euch mehr darüber, was WWOOF überhaupt ist und wie meine persönlichen Erfahrungen waren.
Darum geht’s
Nun saß ich da, Anfang des Jahres, hatte mich im Herbst für die Vollzeit-Selbstständigkeit entschieden und den Plan, dass ich dadurch mehr Freiräume habe, um mehr zu gärtnern und mich dafür weiterzubilden. Man kann ja noch so viel lesen, aber ein Buch sagt mir nicht, wie schlimm der Muskelkater wird, ob ich die nötige Disziplin dauerhaft aufbringe und Selbstständigkeit und Gärtnern unter einen Hut bringen kann.
Außerdem war ich während der Schul- und Unizeit viel in Italien unterwegs und bin gereist. Mir fehlte das irgendwie, auf unterschiedliche Kulturen zu stoßen und etwas zu erleben. Zum Glück habe ich dann WWOOF gefunden.
Was ist WWOOF?
WWOOF stand bei der Gründung der Organisation für „Working Weekends on Organic Farms“, heute gehen die Freiwilligendienste oft über Wochenenden hinaus, manche Gastgeber bevorzugen Aufenthalte von mindestens einer oder zwei Wochen. Dementsprechend wurde die Abkürzung neu ausgelegt: World-Wide Opportunities on Organic Farms.
Wwoof kann man weltweit machen, dafür muss man Mitglied des Vereins sein, in dessen Land man wwoofen möchte. Man arbeitet in der Regel vier Stunden am Tag von Montag bis Freitag. Die übrige Zeit ist frei, man kann also als Digital Nomad hervorragend nebenher arbeiten (mehr dazu, wie gut das geklappt hat, später) oder eben auch die Gegend erkunden und Urlaub machen.
Fürs Wwofen bekommt man kein Geld, sondern wird mit Kost und Unterbringung und durch, nennen wir es, Wissenstransfer bzw. kulturellen Austausch vergütet. Tätigkeiten sind abhängig vom jeweiligen Hof. In der Suche kann man filtern nach Unterbringung, Aktivitäten, Gartenmentalität und natürlich dem Ort.
Wwoof sieht sich als Programm zum Bildungs- und Kulturaustausch und wird aktuell in 132 Ländern angeboten. Die Profile selbst sind recht unterschiedlich gepflegt. Manche geben genauere Informationen über die Unterbringung und den Tagesablauf, andere gehen eher auf die Tätigkeiten ein. Man kann natürlich alles erfragen, aber ich finde es schon bequemer, wenn man nach den eigenen Wünschen filtern kann (gerade für Introvertierte wie mich).
Kosten für WWOOF
Für Wwoofer entstehen keine großen Kosten: Einmal muss der Vereinsbeitrag gezahlt werden, das sind für Wwoof Deutschland aktuell 30 € für ein Jahr. Der Verein muss sich ja irgendwie finanzieren, daher finde ich den Betrag sehr fair. Außerdem müssen Wwoofer die An- und Abreise selbst aufbringen.
Je nachdem, was man vor Ort vorhat, braucht man dafür vielleicht ein wenig Taschengeld. Man sollte nicht einfach davon ausgehen, dass Ausflüge an den Wochenenden von den Landwirten oder sonstigen Gastgebern bezahlt werden. Es gibt je nach Hof aber noch weitere Annehmlichkeiten, die man, finde ich, auch berücksichtigen sollte:
- Ausleihen von Fachliteratur
- Fahrräder für Ausflüge
- Sport oder Handwerk von anderen Wwoofern oder den Gastgebern lernen
- Leihen der benötigen Arbeitsausstattung
- Zeitersparnis durch gemeinsames Kochen/Bekochtwerden
WWOOF oder Workaway?
Bevor ich Wwoof gefunden habe, habe ich auch von Workaway gelesen. Workaway ist wie WWOOF eine Möglichkeit, im Ausland gegen Unterkunft und Verpflegung zu volunteeren. Mein Host hat beispielsweise auf beiden Plattformen ein Profil – auch bei Workaway sind Bio-Erzeuger natürlich nicht ausgeschlossen. Bei Workaway ist allerdings Standard, fünf Stunden am Tag zu arbeiten.
Da ich keinen Aufenthalt mit Workaway hatte, kann ich nicht aus eigener Erfahrung sprechen. Es war für mich einfach glasklar, dass Wwoof für mich das Richtige ist, weil ich großen Wert auf Umweltschutz lege. Das Angebot an Gastgebern ist dementsprechend etwas kleiner, aber es gibt auch bei Wwoof viele Höfe und andere Orte – so viele, dass die Entscheidung schwerfällt.
Gastgeber bei Wwoof können zum Beispiel sein:
- Selbstversorger oder sich selbst versorgende Gemeinschaften
- Gemüsegärtner
- Hobbygärtner
- Klassische Bio-Landwirte
Bei Workaway kann es dagegen auch um Haussitting, Hilfe an Schulen oder andere nicht landwirtschaftliche Arbeiten gehen.
Manche sagen, sie würden immer Workaway bevorzugen, weil es günstiger ist (man hat eine Gebühr für alle Länder). Aber wenn man mal ehrlich ist: Wie viele verschiedene Länder wird man innerhalb eines Jahres wirklich bereisen? Selbst wenn es 2 bis 3 Länder sind, ist die Vereinsgebühr bei WWOOF immer noch günstig im Vergleich zu den Reisekosten, die man bedenken muss.
WWOOF ist non-profit, Workaway nicht. Und beim Wwofen ist in vielen Ländern die Versicherung miteingeschlossen. Außerdem gibt es mittlerweile Möglichkeiten, weiter zu sparen – etwa mit einer Tandem-Mitgliedschaft für zwei Personen, die zusammen reisen.
Meine Erfahrungen beim ersten WWOOF-Aufenthalt
Da stand ich nun, eine Liste mit 10 Favoriten-Profilen in Deutschland. Nehme ich für den ersten Aufenthalt einfach den Gastgeber, der am nächsten liegt? Nein, der wurde es nicht, aber kann ja noch kommen. 😉 Stattdessen ging es Richtung Odenwald, ungefähr eine Fahrstunde von mir entfernt und mit wirklich guten Zugverbindungen für eine ländliche Gegend.
Etwas aufgeregt habe ich doch relativ spontan – 3 Wochen vorher – eine Anfrage geschickt und schnell eine Rückmeldung bekommen. Nach dem Kennenlern-Videocall war klar: Das passt! Auf dem Hof geht es vor allem um Gemüseanbau (aktuell im Bio-Zertifizierungsprozess), es sind ein paar Hühner und vier Ziegen da und es gibt einen Hofladen, der dreimal die Woche geöffnet hat.
Die Beete sind als Marktgarten angelegt, es wurde aber auch letztes Jahr eine Fläche mit einem entstehenden Waldgarten bepflanzt. Dazu kommen ein paar Mietgärten und viele Obstbäume.
Hier geht es zum Wwoof-Profil des Hofs:
https://wwoof.de/de/host/13058-homestead-market-garden-orchard-mixed-farm-farm
Mehr dazu, was Marktgarten und Waldgarten ausmachen:
Permakultur, Tiny Farm, Market Gardening oder Waldgarten
Das Drumherum
Vom Bahnhof hat mich Thomas, der Hof-Papa, abgeholt. Als wir in den Innenhof eingebogen sind, habe ich mich direkt wohlgefühlt. Es gibt ein großes hölzernes Hoftor, dahinter liegt der Eingang zum Hofladen mit einem Eisschild, Regalen für das Gemüse und bunten Skulpturen. Die Hofmitte ist begrünt, drumherum stehen die drei Gebäude. Sobald man hier unterwegs ist, läuft einem Billy, einer der Kater, entgegen und will gestreichelt werden. Biegt man um die Ecke, den Hügel hoch, schauen einen die vier neugierigen Augenpaare der Ziegen an. Und nach zwei Minuten erreicht man das Feld, die zwei Folientunnel und zwei kleine Gewächshäuser.
Wwoofer haben eine eigene Wohnung im Erdgeschoss – typisch Bauernhaus und mit einer großen Küchen und eigener Waschmaschine. Mein Zimmer lag im hinteren Teil. Es war hell, gemütlich und hatte direkten Ausblick in den Hof und den Garten. Ich hatte einen großen Tisch zum Arbeiten – Must-have, weil ich doch zumindest zwei Stunden am Tag am PC arbeiten wollte. Es gab keine Fensterläden, ich muss aber sagen, dass mir das nach einer Nacht eingewöhnen sehr gut getan hat. Oft ist man eh so platt, dass man seehr gut einschlafen kann.
Alles in allem kam ich mir sofort vor wie im Urlaub, wozu dann auch das Klima beigetragen hat. Wer kann schon ahnen, dass es hier wirklich permanent drei Grad wärmer sind als zu Hause und ich bei meiner Ankunft einen Vorgeschmack auf den Sommer bekomme. Naja, irgendwie muss der Wein ja wachsen. Außerdem hat alles geblüht – Apfelbäume, Flieder, Hyazinthen, richtig schön!
Überall auf dem Gelände lässt sich ein guter Ort zum Entspannen und Lesen finden. Dazu muss man sich folgende Geräuschkulisse vorstellen:
Etwas entfernt rufen Pfauen, ab und an kräht der Hahn und immer mal wieder bellen große und kleine Hunde, Vögel zwitschern sowieso und in den vielen grünen Flecken summt und brummt es. Ja, das war’s. Achja, dann hört man noch immer mal spielende Kinder, die während der Ladenöffnungszeiten selbst bei Regen unbekümmert im Innenhof gedribbelt haben. Wer Landidyll sucht, wird hier definitiv fündig.
Das Essen
Ich finde ja, ein sehr wichtiger Punkt. Wir konnten uns im Hofladen bedienen (alles bio), Obst und Gemüse stand uns jederzeit frei zur Verfügung – für den spontanen Hunger nach einem der leckeren Äpfel. 😉 Da haben wir uns dann eingedeckt für die Zeiten, die wir nicht zusammen gegessen haben, meistens morgens und abends.
Außerdem hatten wir Bio-Brot oder -Brötchen von der Bäckerlieferung. Ansonsten wurde gemeinsam gekocht oder wir wurden bekocht – immer sehr lecker und oft mit Nachtisch oder Tee im Anschluss. Besonders dann eine Wohltat, wenn man gerade vier Stunden auf dem Feld geschafft hat.
Die Gemeinschaft
Ich war einen Tag die einzige Wwooferin, an dem Wochenende drauf kamen noch zwei junge Neuseeländerinnen dazu. Es gab sowohl Freiraum als auch Gemeinschaft und Austausch – eigentlich kann das jeder handhaben, wie er es angenehm findet. In der Wohnung ist jedenfalls genug Platz.
Wir haben uns alle auf Deutsch unterhalten, was wohl eher ungewöhnlich ist, wenn Wwoofer auf dem Hof sind. Trotzdem war es sehr interkulturell und wir haben viel über Neuseeland und Italien gesprochen.
Am zweiten Wochenende haben wir sogar gemeinsam einen Ausflug gemacht. In Seligenstadt haben wir uns die Klostergärten angeschaut – hat dann auch thematisch wieder gepasst – und Eis gegessen. Sommerbeginn im April? Hat sich so angefühlt!
Die tägliche Arbeit auf Feld und Hof
Wie für Wwoof Standard, haben wir maximal 4 Stunden am Tag und Montag bis Freitag gearbeitet. Manchmal ging es um 8 Uhr morgens los, manchmal um 14 Uhr – abhängig davon, mit wem wir an dem Tag gearbeitet haben und was anstand.
Dienstags war zum Beispiel Erntetag. Genau während unseres Aufenthalts ging es wieder los mit dem Gemüsekisten, so dass an dem Tag besonders viel auf einmal geerntet werden musste. Dabei sind wir von Tunnel zu Tunnel, haben Salate geschnitten, Rucola oder Hirschhornwegerich gebündelt und sind dann ab mit dem Wagen zur Waschstation. Da wurd’s nass. 😉
Ansonsten haben wir vor allem:
- Jungpflanzen und Ableger gepflanzt
- in Platten gesät
- Beete abgeräumt
- Tomaten umgetopft
- mit dem Schubkarren Kompost auf Beete ausgebracht
- gejätet
- die Tröpfchenbewässerung installiert
Außerdem gab es einen Eventbereich, der aufbereitet werden musste, und wir haben die Konstruktion angebracht, wo später die Tomaten dran ranken. Am Schluss durften wir noch die Ziegen füttern, hatten ansonsten aber nicht so viel mit den Tieren zu tun. Auch der Hofladen lief ohne uns. Da habe ich nur freiwillig beim Einräumen geholfen am 1. Tag, als ich noch ganz fit war.
Apropos fit, ich bin wirklich kein sportlicher Mensch – auch wenn man mir das nicht unbedingt ansieht. Aufs Wwoofen wollte ich mich vorbereiten so gut es ging und kann sagen „zum Glück!“. Gerade der erste Tag war schon sehr anstrengend, da haben wir auch noch Steine von den Mietbeeten und einer anderen Fläche gesammelt und da war ich ja noch „allein“. Danach war ich happy, dass ich das Wochenende zur Erholung hatte. Auch das Schubkarrefahren bergauf, bergab und über hügeligen Lehmboden sollte man nicht unterschätzen. Danach war mein Rücken ziemlich durch und ich hatte Blasen an den Händen. Wir konnten aber immer Pausen machen und haben drauf geachtet, genug zu Trinken. Im Endeffekt hat die Arbeit meistens ein gutes Gefühl hinterlassen. Man war zwar platt – wusste aber auch, was man geleistet hat und wofür.
Fazit des Aufenthalts
Das Fazit muss jetzt etwas länger ausfallen. Zuerst mal das kleine Negative: Manchmal stand ich mir selbst im Weg. Ich bin jemand, der Dinge gern richtig macht und positives Feedback bekommt, und dann ist man doch irgendwie immer hinterher, langsamer, macht Sachen umständlicher, weil man keine Routine hat und bei einigen Sachen unsicher ist. Und manchmal gehen Sachen körperlich halt nicht, weil ich einfach kleiner bin als andere und eine schlechte Ausdauer habe.
Das hat mich ab und zu frustriert. Unser Host Felix hat aber auch versucht, so viel wie möglich aus unserer Zeit rauszuholen und sich gleichzeitig daran zu erinnern, dass wir nicht so viel leisten können wie er. Außerdem gab es immer dieses Wir-Gefühl: Zusammen sind wir stark.
Man kann schon sagen, dass die Zeit sehr prägend war und ich genau das rausgeholt habe, was ich mir erhofft hatte und noch mehr. Als Person, die mit Unbekannten eher introvertiert ist, so aufgenommen zu werden und sich wohlzufühlen und über gemeinsame Interessen auszutauschen, war großartig und das Miteinander inspirierend und wertvoll.
Ich hatte während der zwei Wochen deutlich weniger Screentime, die mich sonst oft unglücklich macht, habe gesund gegessen und viel mehr Zeit mit einer größeren Gruppe an Leuten verbracht als sonst. Die Gegend war wunderschön und die Menschen großartig. Das hat sich einfach gut angefühlt. Achja, und veganes/vegetarisches Essen und Zugfahren ist hier normal und keine Seltenheit.
Und: Konnte ich trotzdem noch gescheit meiner Selbstständigkeit nachgehen? Klares Ja, eigentlich besser als gedacht. Natürlich gab es zwei, drei Tage, da war ich so platt, dass auch der Kopf nicht mehr so wollte. Und am Anfang gab es Schwierigkeiten mit dem WLAN. Die Tagesstruktur, das gemeinsame Kochen oder Bekochtwerden und die gemeinsame Haushaltsführung haben bestimmt dazu beigetragen, dass es ansonsten sehr gut funktioniert hat.
Bei einem Wwoof-Aufenthalt bekommt man auf jeden Fall einen besseren Blick dafür, was Landwirte wirklich leisten. Es ist ein Erlebnis, das ich jedem nur ans Herz legen kann!
…und wie geht’s weiter?
Das Fazit bezogen auf meine eigenen Gartenpläne: Ich bin dem Weg, der sich für mich gut anfühlt, auf jeden Fall näher gekommen. Ich glaube nicht, dass ich mal Gemüsegärtnerin in so großem Stil werde – es ist einfach eine sehr große Verantwortung und ich habe nicht so ein lokales Netzwerk im Rücken. Ich befürchte auch, ich würde dann zu viele Baustellen aufmachen und meine eigentlichen Wünsche und Ansprüche gehen vielleicht unter.
Eine Sache, die Felix zum Beispiel gesagt hat, war: Sie wollten viel mit Permakultur machen, aber er hat dann gemerkt, dass es nicht gut hinhaut, wenn man gleichzeitig die Verpflichtung eingeht, dass man jede Woche 40 mal Gemüse x, y und z haben muss.
Mittlerweile habe ich also Anzeigen erstellt auf der Suche nach einem eigenen Garten oder einer Streuobstwiese zum Selbstversorgen. Ein paar Sachen gibt es aber noch, die ich ausprobieren, beziehungsweise lernen will: Hühnerhalten, Sensen und Apfelsaftkeltern oder das Haltbarmachen von Lebensmitteln zum Beispiel. Die nächste Wwoof-Erfahrung kommt also ganz bestimmt – dann vielleicht im Herbst.